RECHTaktuell – Der Podcast

Auto als Abfall. Mit Julius Spieldiener und Xaver Meusburger

Episode Summary

Abfall, so viel ist klar, verrät viel über eine Gesellschaft. Wo der Abfallbegriff beginnt und wo er wieder aufhört, erklären in dieser Episode die beiden Juristen Julius Spieldiener und Xaver Meusburger im Gespräch mit Elisabeth Maier. Anlassfall ist ein Erkenntnis des VwGH, in dem ein beschädigtes Auto auf dem Weg nach Bulgarien als Abfall qualifiziert wurde. Mehr über einen riesigen Wirtschaftssektor und ein gar nicht so abwegiges Rechtsgebiet in dieser Episode. Hören Sie rein!

Episode Notes

Abfall, so viel ist klar, verrät viel über eine Gesellschaft. Wo der Abfallbegriff beginnt und wo er wieder aufhört, erklären in dieser Episode die beiden Juristen Julius Spieldiener und Xaver Meusburger im Gespräch mit Elisabeth Maier. Anlassfall ist ein Erkenntnis des VwGH, in dem ein beschädigtes Auto auf dem Weg nach Bulgarien als Abfall qualifiziert wurde. Mehr über einen riesigen Wirtschaftssektor und ein gar nicht so abwegiges Rechtsgebiet in dieser Episode. Hören Sie rein!

Service:

Episode Transcription

Elisabeth Maier:

[0:11] Liebe Hörerinnen und Hörer, herzlich willkommen beim Manz-Podcast Recht aktuell. Ich bin Elisabeth Maier, Zeitschriftenredakteurin beim Verlag Manz. Unser heutiges Thema ist Abfall. Konkret geht es um ein VwGH-Erkenntnis und die Frage, ob, wann und unter welchen Umständen ein beschädigtes Autos Abfall zu sehen ist. Wir sprechen auch über den Beginn der Abfall-Eigenschaft, die Konsequenzen, wenn man einmal im Abfallregime angekommen ist und wie schwierig es ist, da wieder rauszukommen. Dazu haben wir heute zwei Experten ins Manz-Podcast-Studio geladen. Herzlich willkommen, Herr Mag. Xaver Meusburger und Herr Mag. Julius Spieldiener. Hallo, grüß Gott.

 

Julius Spieldiener:

[0:48] Hallo, grüß Gott

 

Xaver Meusburger:

[0:48] Hallo, grüß Gott

 

Elisabeth Maier:

[0:49] Ja, kurz zu unseren beiden Gästen. Herr Mag. Meusburger ist Rechtsanwaltsanwärter bei der Kanzlei Haslinger Nagele. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt im Verwaltungs- und Verfassungsrecht, vor allem im Umweltrecht. Ja, und Herr Magister Spieldiener hat die Rechtsanwaltsprüfung bereits, ist Rechtsanwaltsanwärter bei BPV Hügel Rechtsanwälte und auch sein Tätigkeitsbereich und liegt im Verwaltungs- und Verfassungsrecht, auch im Umweltrecht. Sie beide gemeinsam haben eine VwGH-Entscheidung im Heft 4/2025 der RDU, das ist die Zeitschrift „Recht der Umwelt“, glossiert. Das war für alle, die mitschreiben wollen, VwGH 12.11.2024, RA 2023/07/0174. Sie beide haben auch unabhängig voneinander publiziert. Herr Meusburger hat mit Herrn Baumgartner über die Renaturierungsverordnung geschrieben. Das war in der RDU Heft 6/2024. Titel war "EU-Renaturierungsverordnung Meilenstein oder Eigentor".

 

Elisabeth Maier:

[1:49] Und Herr Spieldiener hat vor allem Lexis-Briefings geschrieben. Ich habe da die Stichworte Abfall, Abfallverzeichnis, Ausnahmen vom Abfallbegriff und Verbringung von Abfällen. Also eine ganze Menge.

 

Elisabeth Maier:

[2:01] Dann gehen wir gleich zum Thema. Abfall und Abfallrecht sind ja Themen, die auf den ersten Blick keinen besonderen Charme haben. Und auch unter Juristen ist Abfallrecht ein Thema, das vielleicht weniger bekannt ist. Sie sind beide im Abfallrecht aktiv. Was macht das Abfallrecht auf den zweiten Blick so interessant?

 

Julius Spieldiener:

[2:19] Also das Abfallrecht ist aus unserer Sicht, aus mehreren Perspektiven, extrem interessant. Vielleicht mit jeweils einem Beispiel, warum Abfall aus historischer, soziologischer und wirtschaftlicher Sicht extrem interessant ist. Abfall ist immer...

 

Julius Spieldiener:

[2:35] Ein Spiegel der Gesellschaft und gibt soziale Realitäten wieder. Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft wie in Österreich, dass die Müllabfuhr regelmäßig kommt und alles mitnimmt, ist eher ein Privileg und die Ausnahme zur Regel. Es gibt zum Beispiel auf den Philippinen Menschen, die müssen… oder essen Müll, sogenanntes PagPag. Es gibt aber auch in Italien Fälle, wo Deponien dazu geführt haben, dass Menschen schwer erkrankt sind. Und es hat auch ein Erkenntnis gegeben vom EGMR, der den italienischen Staat verurteilt hat, weil seine Schutzpflicht nicht nachgekommen ist.

 

Julius Spieldiener:

[3:07] Dann, was auch beim Abfall extrem spannend ist, es ist auch ein historischer Spiegel. Im Gegensatz zu Chronisten, die oft gebildet wurden und im Großen und Ganzen aus Sicht der Herrscher die Verhältnisse wiedergegeben haben, ist Abfall ungefiltert gesammelt worden und verrät viel über die Gesellschaft. Ein wunderbares Beispiel ist in Rom der sogenannte Monte Testaccio. Das ist im Wesentlichen ein Amphorenhügel, der über Jahrhunderte aufgetürmt wurde und noch immer nach wie vor dort ist. Und Historikerinnen haben dort im Wesentlichen ablesen können, woher hat Rom sein Olivenöl bekommen, welche Änderungen der Lieferwege hat es gegeben, wie groß war die Wirtschaft. Das war ein Riesenpunkt für das Römische Reich. Und vielleicht das letzte Punkt, es hat auch eine unglaublich wirtschaftliche interessante und wichtige Komponente. Es gibt jetzt eine Studie vom ÖWAW, der bescheinigt, dass der Gesamtumsatz 19,5 Milliarden waren. Und in den letzten Jahren sind 600 Millionen Euro in Recycling und Anlagen geflossen. Also man sieht, Abfall ist vor allem mit Geld verbunden und untrennbar damit verbunden.

 

Elisabeth Maier:

[4:19] Und auf juristischer Ebene, was ist da der interessante Punkt?

 

Xaver Meusburger:

[4:25] Juristisch bringt der Abfallbegriff große Implikationen mit sich. Man erwartet es oft nicht. Aber wenn eine Sache als Abfall zu deklarieren ist, dann zieht es einen Rattenschwanz an Auswirkungen mit sich. Der Abfallbesitz an sich bringt schon Verpflichtungen mit sich. Allen voran sind die Grundsätze des Abfallwirtschaftsgesetzes zu beachten durch den Abfallbesitzer. Gerade die Sammlung, die Beförderung, die Lagerung und die Behandlung mit Abfällen ist stark reglementiert. Grundsätzlich gilt auch das Verbot der Vermischung von Absätzen. Das kennt man auch als Privatperson im privaten Haushalt. Mülltrennung, ne? Genau, natürlich. Also das trifft jeden. Die Sanktionen, wenn man das nicht macht, mögen einen vielleicht noch nicht umhauen. Aber auch die Übergabe an einen Berechtigten ist eine Verpflichtung, die einen jeden trifft. Also jeder muss den Abfall, den man im Haus generiert oder produziert, einem Abfallbehandler und -sammler übergeben. Im Haushalt ist das dann meistens einfach die klassische Müllabfuhr oder die Sammelstellen für Altpapier oder Ähnliches. Natürlich, aber es ist verpflichtend, einen Vertrag mit der Müllabfuhr zu haben oder die Möglichkeit der Entsorgung.

 

Xaver Meusburger:

[5:43] Andererseits ist man auch dafür verantwortlich, dass der Abfall umweltgerecht verwertet oder beseitigt wird. Zusätzlich können Aufzeichnungspflichten im betrieblichen Kontext aufkommen.

 

Xaver Meusburger:

[6:00] Weiters gibt es dann für denjenigen, der den Abfall behandelt oder sammelt, viele Verpflichtungen. Das ist im Abfallwirtschaftsgesetz geregelt, das auch stark unionsrechtlich geprägt ist. Da gibt es vor allem die Verpflichtungen, Also Genehmigungspflichten, persönliche, anlagerechtliche Genehmigungspflichten, starke Kontrollinstanzen, die man durchlaufen muss. Das ist insbesondere aus dem Grund so wichtig, weil vom Abfall ein großes Gefährdungspotenzial ausgeht. Also man unterscheidet zwischen gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen. Aber in beiden Fällen besteht das Potenzial, dass die menschliche Gesundheit gefährdet wird durch unsachgemäße Abfallbehandlung, durch den unsachgemäßen Umgang mit Abfall ganz allgemein. Und das ist auch im Abfallwirtschaftsgerecht an erster Stelle geregelt, dass die menschliche Gesundheit und die Umwelt und die auch im Hinblick auf die zukünftigen Generationen nicht in Mitleidenschaft gezogen werden darf. Hat man eh gerade gesehen, es waren ja wieder ein paar Fälle, wo in Tirol Abfallbehandlungsanlagen zum Brennen angefangen haben. Natürlich. Die Rauchentwicklungen haben nicht gut ausgeschaut. Und man muss dann gleich die Fenster schließen. Also es gibt einen guten Grund, warum Abfallbehandlungsanlagen einem starken Reglementierungsregime unterliegen. Also das ist gut, dass es so ist.

 

Xaver Meusburger:

[7:23] Also gerade anlagenrechtlich muss man auch beachten, dass man im Abfallregime recht schnell einmal dem IPPC-Regime unterliegt. Das sind, also IPPC-Anlagen sind Anlagen, von denen potenziell große Umweltgefährdungen ausgehen können. Die müssen sich dann auch regelmäßig kontrollieren lassen und auch ständig die beste verfügbare Technik einhalten. Und auch Berichtspflichten, erweiterte Berichtspflichten gibt es da für die Anlagenbesitzer. Andererseits natürlich auch das UVP-Regime. Wenn man eine Abfallbehandlungsanlage genehmigen möchte, kann es durchaus schnell sein, leicht sein, dass man ins Umweltverträglichkeitsprüfungsregime fällt. Da haben Sie ja schon mal einen Podcast. Ja, richtig. Mit der Frau Dr. Katalan. Da möchte man jetzt gar nicht zu tief in die Materie gehen. Aber natürlich bestehen diese Gefahren. Die muss man immer beachten.

 

Xaver Meusburger:

[8:14] Das sind einmal die unmittelbaren Konsequenzen. Andererseits gibt es dann auch noch zusätzlich finanzrechtliche Implikationen. Gerade bei Abfall kann es sein, dass man durch die Sammlung oder durch die Handhabung ganz generell in das ALSAG, in das Altlastensanierungsregime wieder umfällt. Okay, was bedeutet das dann? Das ALSAG ist ein Finanzierungsgesetz, mit dem bezweckt werden sollen, dass Altstandorte, kontaminierte Gebiete, Deponien… Also klassischerweise Deponien, alte Deponien, oder? Genau, vor 1989 entstandene Deponien und Altlasten saniert werden, also zuerst begutachtet werden und saniert werden. Das kostet Geld, das muss die Allgemeinheit tragen. Und für diesen Zweck sieht das ALSAG vor, dass insbesondere die Lagerung von Abfall, auch Verbrennung und so weiter.

 

Xaver Meusburger:

[9:04] Dass dieser Umgang ein bisschen Geld kostet, das dann allgemein zufließt, das dann wiederum verwendet werden kann, um Abfall oder um die Konsequenzen des Abfalls in der Vergangenheit zu sanieren. Und schlussendlich gibt es dann auch noch, gerade im internationalen Kontext, relativ viele Regelungen, die ein Abfallbesitzer oder ein Exporteur von Abfall, das Beispiel mit Philippinen, hat mein Kollege schon genannt, die wirtschaftliche Komponente ist da echt stark.

 

Xaver Meusburger:

[9:42] Es gibt starke Regelungen, gerade unionsrechtlich, was es bedeutet, Abfall zu exportieren, ihn zu importieren. Das ist die EU-Verbringungsverordnung, die vor kurzem auch novelliert wurde, die gerade auch im internationalen Kontext große Reglementierungen vorsieht. Die sogenannte Notifizierung zum Beispiel, wenn jeder Abfall der bestimmten Grünen-Liste unterliegt, Der ist zum Notifizieren und die Notifizierung kostet viel, dauert lang und

 

Xaver Meusburger:

[10:16] sollte vermieden werden. Also ein langer Rattenschwanz und man sollte es vermeiden, in den Abfall die Kräfte zu rutschen.

 

Elisabeth Maier:

[10:23] Ja, das klingt ja schon sehr, sehr umfassend, was das alles verpflichten und Berichte und was auch immer sonst nachzieht. Man kann noch lange weiter ausführen, aber ich glaube es Ihnen sofort.

 

Julius Spieldiener:

[10:34] So lange haben wir nicht Zeit.

 

Elisabeth Maier:

[10:38] Abfallrecht ist jetzt nicht nur abstrakt relevant, das von Ihnen in der RdU behandelte VwGH-Erkenntnis zeigt ja, dass Abfallrecht auch für Einzelpersonen von Bedeutung sein kann. Um was ist es dann gegangen? Was war denn da der Sachverhalt bei diesem Erkenntnis?

 

Julius Spieldiener:

[10:50] Also im Wesentlichen lässt sich der Fall auf eine Frage runterbrechen und die Frage ist, ab wann ist ein Unfallauto Abfall? Und im konkreten Fall ist Folgendes passiert, eine Person wollte sein Unfallauto nach Bulgarien verkaufen, Dann hat er sich aber im Rahmen einer Verkehrskontrolle einen Stopp gegeben durch die Polizei und dann kam es zur Anzeige an die Verwaltungsbehörde und die Verwaltungsbehörde sagte dann im Wesentlichen, sie haben hier kein Auto verbracht, sondern Abfall und sie müssen einen Abfall einer berechtigten Person geben. Den können sie nicht jeden geben, sondern er braucht das sogenannte Abfallbehandler- oder -sammler-Erlaubnis. Und was hat die Behörde jetzt gemacht? In Österreich ist es so, damit eine Sache zu Abfall wird, gibt es grundsätzlich zwei Wege. Zuerst wird immer geprüft, ist eine Sache subjektiv Abfall. Das klingt sehr abstrakt, aber das heißt nur im Wesentlichen, will ich mich von einer Sache entledigen oder habe ich einen Entledigungswillen? Ein ganz triviales Beispiel ist zum Beispiel, wenn ich jetzt auf der Straße gehe und eine leere Flasche in Mistkübel haue. Das ist eine sogenannte Entledigungshandlung, was auch sehr bekannt ist. Also da hat es auch ein Erkenntnis gegeben vom Verwaltungsgerichtshof, war das Erkenntnis zu Altkleidern. Also wenn Sie jetzt Ihre Altkleider einwerfen, dann produzieren Sie Abfall, vielleicht auch nicht allgemein bekannt.

 

Elisabeth Maier:

[12:03] Also diese klassischen Altkleider-Container, die halt neben einem Altpapier und einem Altplastik stehen.

 

Julius Spieldiener:

[12:09] Genau so ist es, ja, da hat der Verwaltungsgericht so gesagt, auch in so einem Fall kann es zu Abfall kommen, weil man weiß nicht, was passiert mit den Kleidern. Die werden geprüft und sortiert, aber man weiß nicht im Vorhinein, ob alles sozusagen wiederverwendet werden kann. Und auch in diesem Fall, also man sieht, Abfall passiert schnell. Wir produzieren alle täglich Abfall und es ist nicht so, als wäre das eine Sondermaterie. Und der zweite Begriff, der vorliegen kann, damit etwas Abfall ist, ist der sogenannte objektive Abfallbegriff. Beim objektiven Abfallbegriff geht es darum, dass eine Sache muss als Abfall behandelt werden, wenn es auf gewisse Schutzgüter negativ Einfluss nehmen kann, wie zum Beispiel auf die menschliche Gesundheit, auf die Umwelt etc. Und das hat man eigentlich in diesem konkreten Fall auch angenommen, Weil wir uns vorstellen können, ein Auto, das nicht ausgeschlachtet ist, also ein Auto, das nur alle Bestandteile hat, hat viele Komponenten, die durchaus gefährlich sein können.

 

Elisabeth Maier:

[12:59] Also Batterie, Benzin, was auch immer.

 

Julius Spieldiener:

[13:03] Genau, genau.

 

Elisabeth Maier:

[13:04] Kühlflüssigkeit fällt mir so schnell ein.

 

Julius Spieldiener:

[13:06] Genau, und beim objektiven Abfallbegriff, wie erwähnt, geht es halt darum, dass man eine Sache behandeln muss. Und bei Autos ist die Frage... Ist es nicht automatisch als Abfall zu sehen, nur weil es vielleicht nicht sofort wieder verkehrstüchtig ist. Und im nächsten Schritt hat man dann versucht, das abzuklären beim Verwaltungsgerichtshof. Man hat nämlich eine Revision erhoben.

 

Elisabeth Maier:

[13:28] Und was ist denn bei dieser Revision rausgekommen? Hat der VwGH das umgedreht oder wie hat er entschieden?

 

Xaver Meusburger:

[13:35] Der VwGH hat dem Revisionswerber recht gegeben und hat dann das Verwaltungsgericht zur weiteren Sachverhaltsfeststellung zurückgewiesen. Grundlegend hat er zwei Dinge gesagt. Einerseits die Feststellung des Verwaltungsgerichts war falsch insofern, als der Wert, der Zeitwert des Autos vor dem Unfall, der Wert des Autos ohne Verunfallung oder ohne Unfall gegenübergestellt werden muss mit den Wiederherstellungskosten oder eigentlich andersherum. Die Wiederherstellungskosten müssen dem Zeitwert des Autos gegenübergestellt werden, um dann abschätzen zu können, ob die Wiederherstellung unwirtschaftlich ist oder noch eben nicht unwirtschaftlich und somit der Rutsch in das Abfallregime vermieden werden kann.

 

Xaver Meusburger:

[14:30] Man kann eben nicht mehr davon ausgehen, dass ein Kfz nach der allgemeinen Verkehrsauffassung in einem bestimmungsgemäßen Gebrauch steht, wenn das Fahrzeug nur mehr in unwirtschaftlicher Weise für seinen Zweck nutzbar gemacht werden könnte. Also der Zweck ist die Fahrtüchtigkeit eines Autos. Und ganz wesentlich ist die Frage nach dieser Unwirtschaftlichkeit. Was bedeutet das? Das weiß man nicht genau. Der VwGH führt dazu nichts aus. Allerdings hat er sich in seinem Erkenntnis der ständigen OGH-Judikatur bedient. Ich möchte auch noch kurz einwerfen, der VwGH ist von seiner ständigen Rechtsprechung her nicht abgewichen, sondern hat bekräftigt. Und warum das Landesverwaltungsgericht diese Feststellungen so getroffen hat, das ist mir nicht erklärlich. Nicht gut genug recherchiert vielleicht. Naja, man möchte niemandem etwas unterstellen, aber grundsätzlich war auch schon davor die ständige Rechtsprechung relativ klar. Jedenfalls hat er es jetzt konkretisiert. Und unter Bezug auf die OGH-Judikatur hat er dann eben verwiesen, dass der relevante Wert, mit dem die Wiederherstellungskosten verglichen werden müssen, der Zeitwert des Fahrzeugs vor dem Unfall ist, was in den meisten Fällen der Wiederbeschaffungspreis ist, wobei natürlich dann auch das Alter des Fahrzeugs in Betracht ziehen muss. Ja, älteres Fahrzeug, mehr abgenützt. Genau, das kostet dann auch nicht mehr so viel.

 

Xaver Meusburger:

[15:57] Und jetzt möchte ich noch ganz kurz auf die OGH-Judikatur eingehen.

 

Xaver Meusburger:

[16:02] Der OGH sagt grundsätzlich, dem Grundsatz der Naturalrestitution folgend, dass der Ersatz seines verursachten Schadens.

 

Xaver Meusburger:

[16:16] Also dass im Zuge einer Schadenswiedergutmachung alles in den vorigen Stand zurückversetzt werden muss, wenn dies tunlich ist, solange dies tunlich ist. Der Geldersatz ist nur sekundär dann zu leisten, wenn die Wiederherstellung eben untunlich ist. Der Totalschaden ist eben dann erst anzunehmen, wenn der Zeitwert des Kraftfahrzeugs erheblich hinter den veranschlagten Reparaturkosten zurückbleibt. Das ist einmal wieder ein neues Wort, erheblich. Das heißt erheblich. Juristen merken sofort auf, das ist schon wieder ein unbestimmter Begriff. Natürlich, aber da gibt es wiederum Judikatur des OGHs.

 

Xaver Meusburger:

[16:57] Und er beurteilt diese Erheblichkeit daran, dass die Reparaturwürdigkeit eben, beziehungsweise von Manus an, die Reparaturwürdigkeit, der setzt da keine Stammgrenzen, sondern er lasst einen gewissen Spielraum, der immer wieder eine Einzelfallbewertung erfordert. Und in manchen Fällen lässt er es auch zu, dass die Wiederherstellungskosten höher sein dürfen als der Wiederbeschaffungswert selbst, weil eben der Grundsatz der Wiederherstellung der vorrangige ist. Ein bisschen mehr geht sozusagen. Ein bisschen mehr, genau. Und dieses bisschen mehr, dazu gibt es Judikatur und da kann man sich dann auch in Bezug auf die verwaltungsrechtliche Behörde daran halten und kann man gut argumentieren. Ich glaube, die Grenze liegt so bei 17 Prozent. Also wenn die Wiederherstellungskosten, die Wiederbeschaffungskosten um 17 Prozent noch übersteigen, dann kann man argumentieren, dass das noch im Rahmen liegt und damit keine unverhältnismäßig hohe Überschreitung besteht. Wesentlich ist aber, dass es eine Rechtsfrage ist. Also keine Sachverhaltsstand, keine Sachfrage, sondern eine Rechtsfrage.

 

Xaver Meusburger:

[18:07] Genau, also was bedeutet das jetzt für die Praxis? Du schaust dann in der Praxis aus, hat das jetzt welche Auswirkungen, hat jetzt dieses VwGH -Kenntnis, warum ist es jetzt wichtig eigentlich? Genau, ganz wesentlich, voran ist einmal, dass die wesentlichen Werte festgestellt werden. Einerseits eben der Zeitwert des Fahrzeugs vor dem Unfall und andererseits auch die Wiederherstellungskosten. Im gegenständlichen Fall war das so, dass der Sachverständige oder wer auch immer das festgestellt hat, nicht ausreichend konkret festgestellt hat, wie viel denn die Wiederherstellung des Fahrzeugs kosten würde. Also dieser Wiederherstellungswert war ein bisschen fraglich. Genau. Und aus diesem Grunde hat er das zurückverwiesen und nicht selbst entschieden, weil der VwGH kann keine Sachfragen klären, sondern eben nur das Verwaltungsgericht, die Behörde im ersten Schritt.

 

Xaver Meusburger:

[18:55] Also ganz wesentlich, Grundvoraussetzung ist einmal die Feststellung der wesentlichen Werte. Das ist eine Sachfrage, die durch einen Sachverständigen beurteilt werden muss. Das ist meistens ein 57a Kraftfahrzeugsgesetz, das ist das klassische „Pickerl“. Oder auch ein Gutachten über die Reparaturwürdigkeit eines Autos. Natürlich, wenn es die Behörde möchte, dass das Abfall ist, weil sie schon den Bescheid ausgestellt hat, dann steht einem natürlich die Möglichkeit offen, gegen dieses Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene, wie das Gesetz verlangt, dagegen vorzugehen. Wenn man ein besonderer Autoliebhaber ist und sich besonders gut auskennt, dann kann man das selbst machen. Ratsam ist es aber jedoch, dass man sich eines Gutachters bedient auch. Ja, weil das werden die wenigsten, werden die Expertise haben im Detail. Genau, ich meine, oft kommt diese Konstellation in einem gewerbsmäßigen Umfeld vor. Gut, da könnte es der Fall sein. Da könnte es der Fall sein, aber natürlich ratsamer ist es, einen Gutachter heranzuziehen. Und dann ganz spannend, die zweite Frage, die Rechtsfrage, selbst wenn der Sachverständige feststellt, dass die Wiederherstellungskosten, also die Reparatur oder Wiederherstellungskosten den Zeitwert überschreiten.

 

Xaver Meusburger:

[20:08] Und diese Überschreitung eben nicht unverhältnismäßig ist, sondern nur geringfügig, sagen wir 10%, dann kann man immer noch argumentieren, dass bei einer Einzelfallbetrachtung dennoch die Unverhältnismäßigkeit nicht gegeben ist und wir deshalb das Auto weiterhin bestimmungsgemäßen Gebrauch haben und der Abfallbegriff zu verneinen ist.

 

Elisabeth Maier:

[20:25] Könnte es sein, bei irgendwelchen Oldtimern oder Spezialautos mit besonderen Verwendungszwecken?

 

Xaver Meusburger:

[20:31] Bei Oldtimern ist es so, die sind ausgenommen von dieser Regelung. Das ist in der Altfahrzeugverordnung geregelt. Aber natürlich, wenn man jetzt ein Bastler ist und ein besonderes Liebhaberauto hergestellt hat, das noch nicht als Oldtimer qualifiziert ist, sondern vielleicht ein Youngtimer, dann könnte man durchaus argumentieren, dass ein Liebhaberwert eine höhere Überschreitung rechtfertigt. Also wie gesagt, auf der Rechtsfragenebene sollte man sich dann vielleicht eines Rechtsanwalts bedienen. Also zuerst den Sachverständigen, Privatsachverständigen und dann einen Rechtsanwalt, sofern das Auto das natürlich finanziell legitimiert. Oder wenn man das Auto besonders gerne hat. Natürlich, Liebhaber. Das kann natürlich auch dabei sein. Liebhaber.

 

Elisabeth Maier:

[21:12] Ja. Also Abfallende ist irgendwie, man merkt, das Erkenntnis zeigt, dass das wichtig ist, genau zu prüfen, wann Abfall vorliegt, anzunehmen ist. Und wann diese Abfalleigenschaft beginnt. Aber wie kommt man jetzt wieder aus

 

Elisabeth Maier:

[21:27] dieser Abfalleigenschaft heraus? Also Abfallende, was muss man da tun, um aus dem Abfallbegriff wieder rauszukommen?

 

Julius Spieldiener:

[21:36] Ja, es ist sehr, sehr schwer, weil die Verwaltungspraxis und die Gerichte in Österreich, vor allem der Verwaltungsgerichtshof, sehen es immer sehr streng, dass man das Abfallende verliert. Wenn man etwas Abfall ist, kann man im Wesentlichen auf zwei Arten aus diesem Regime raus. Das ist die sogenannte Vorbereitung zur Wiederverwendung. Man liegt die vor, wenn man Gegenstand nur prüfen, reinigen muss und reparieren muss. Wenn man nur diese Schritte braucht und keine weiteren, dann kann die Abfalleigenschaft enden. Zum Beispiel, das wird in den Karton weggeworfen und den sieht man, den nimmt man dann, prüft, sieht, der ist in Ordnung, den kann man wiederverwenden, dann kann die Abfalleigenschaft enden. Und der zweite Schritt oder die zweite Art, um das Abfallende zu erreichen, ist durch die Substitution. Also ein Beispiel wäre, wenn eine Glasflasche eingeschmolzen wird für eine neue Glasflasche, da verliert man im Moment der Substitution die Eigenschaft. Das zeigt schon, dass der Bereich...

 

Elisabeth Maier:

[22:29] Dann wird es ein neues Produkt sozusagen.

 

Julius Spieldiener:

[22:30] Genau, dann wird es ein neues Produkt. Also man geht davon aus, die Substitution ist sozusagen der Moment, wo die Abfalleigenschaft endet. Und das mag zweckdienlich für manche Abfallströme sein, aber es gibt sehr viele Abfallströme, wo man das nicht so klar sagen kann. Und Österreich hat auch in den vergangenen Jahren immer wieder von der Kommission, oder hat mit der Kommission ein Streiterei, sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren bekommen. Man wirft Österreich vor, Österreich du, also nur mal jetzt einen Schritt zurück zu gehen. Das Abfallrecht ist wie eingangs erwähnt Europarecht. Die Abfallrahmenrichtlinie legt sehr viele Spielregeln vor und der österreichische Gesetzgeber muss sie dann in nationales Recht umsetzen. Und was ist bei dem Vertragsverletzungsverfahren das Thema? Das Thema ist das Abfallende. Die Kommission sagt im Wesentlichen, Österreich hat einfach das Abfallende, sieht es zu eng. Da gibt es auch das bekannte Erkenntnis „Porr“.

 

Elisabeth Maier:

[23:23] Was ist da passiert?

 

Julius Spieldiener:

[23:25] Bei Porr ist es im Wesentlichen darum gegangen, dass die Porr AG, die man eh kennt, ein großes Bauunternehmen, hat Landwirten, Bodenaushubmaterial gebracht.

 

Elisabeth Maier:

[23:35] Also das, was man einfach ausgräbt.

 

Julius Spieldiener:

[23:37] Ja, sogar in einer sehr guten Qualität zur Ausschüttung für die Felder sozusagen. Und dann haben sie einen Antrag gestellt bei der Behörde in Graz, ob das eh kein Abfall ist. Weil wie eingangs erwähnt, wenn man etwas Abfall ist und man kommt unverhofft zum Abfalleigenschaft, dann kann das, wenn man beim ALSAG-Verfahren dann auch eine Feststellung bekommt, eine massive Auswirkung auf das Geld haben. Die waren aber so intelligent und haben einen Antrag gestellt und die Behörde hat dann gesagt, nein, das ist Abfall. Weil ja, es mag schon sein, dass es im Wesentlichen sehr hochwertiges Material ist oder es mag produktähnliche Eigenschaften haben, aber es wurden gewisse Formalpflichten mit dem Bundesabfallwirtschaftsplan nicht eingehalten. Da geht es um Wesentlichen, wenn man es jetzt ganz einfach sagt, um Dokumentationspflichten, woher kommt es, wann wurde es eingebaut etc. Und dann ist das Ganze aber wieder weitergegangen zum Landesverwaltungsgericht und schlussendlich zum EuGH. Und aus unserer Sicht hat der EuGH da ganz klar Stellung bezogen gesagt, also eigentlich mit dem österreichischen Modell ist das Unionsrecht nicht wirklich vereinbar. Weil entscheidend ist etwas, dass, wenn man es jetzt simpel sagt, dass Abfall produktähnliche Eigenschaften hat und das geprüft wird. Also auch, wenn ich mir dieses Bodenaushubmaterial ansehe und es prüfe, Das muss ausreichend sein. Ich brauche da keine Formalkriterien. Ich muss das nicht dokumentieren.

 

Julius Spieldiener:

[24:58] Und das Verletzungsverfahren ist jetzt aber noch am Laufen. Also wir wissen nicht, wie es ausgehen wird. Aber so was wir vom EuGH gehört haben, geht es schon in die Richtung, dass die österreichische Regelung eigentlich nicht vereinbar ist mit Europarecht.

 

Julius Spieldiener:

[25:09] Also das wird zu wenig, also zu schränkt sind eigentlich.

 

Julius Spieldiener:

[25:12] Genau, ja. Man schließt eigentlich Abfälle zum Teil aus, obwohl es ja eigentlich keine Abfälle sein müssten.

 

Elisabeth Maier:

[25:18] Ja, ja. Also das heißt, das Thema Abfallende ist noch nicht zu Ende.

 

Julius Spieldiener:

[25:23] Nein, das ist tatsächlich ein Gift that keeps on giving.

 

Elisabeth Maier:

[25:28] Ja, kann man einfach. Ja, lieber Herr Magister Meusburger, lieber Herr Magister Spieldiener, danke, dass Sie zu uns ins Podcaststudio gekommen sind, selbst mitten in der Sommerhitze zur Mittagszeit. Wir haben heute irgendwie sehr viel Neues über das Abfallrecht erfahren und denken vielleicht auch an die Archäologen in der Zukunft, wenn wir etwas wegschmeißen. Danke fürs Kommen.

 

Julius Spieldiener:

[25:49] Danke sehr.

 

Xaver Meusburger:

[25:50] Danke für die Einladung. Danke.

 

Elisabeth Maier:

[25:52] Liebe Hörerinnen und Hörer, wenn Ihnen der Podcast gefallen hat, dann empfehlen Sie uns weiter oder hinterlassen Sie ein paar Sternchen in der Podcast-App Ihrer Wahl. Wenn Sie Fragen zu diesem Podcast haben oder wenn Sie uns das mitteilen wollen, dann schreiben Sie uns bitte einfach ein E-Mail. Die Adresse ist podcast@manz.at. Bis bald und auf Wiederhören.

 

Off-Sprecher:

[26:12] Das war Recht Aktuell, der Podcast. Zu hören auf manz.at/podcast und überall, wo es Podcasts gibt. Sie haben Themenvorschläge oder Wunschgäste? Dann schreiben Sie uns an podcast.Manz.at Abonnieren, sharen und liken Sie uns, wenn Ihnen die Sendung gefallen hat. Bis zum nächsten Mal.